Gesundheit und Krankheit im hohen Alter

Der Gesundheitszustand der hochaltrigen ÖIHS-Teilnehmer/innen stellt sich insgesamt als vergleichsweise gut dar.

Ein guter Gesundheitszustand bedeutet allerdings gerade mit Blick auf Hochaltrigkeit nicht die völlige Freiheit von Krankheiten und gesundheitlichen Beschwerden. Würde man von einer solchen Definition von Gesundheit ausgehen, dann müsste die Studie zu dem Ergebnis kommen, dass es im Prinzip keine gesunden Hochaltrigen gibt. So befindet sich beispielsweise unter den untersuchten Teilnehmer/innen kaum eine Person, die nicht zumindest an einer chronischen Krankheit, wie z.B. Bluthochdruck, leidet. Was es jedoch gibt – und zwar in gar nicht geringer Zahl – sind hochaltrige Menschen, die in der Lage sind, auch trotz mancher gesundheitlicher Einschränkungen ein weitgehend selbstbestimmtes und autonomes Leben ohne nennenswerten Unterstützungs- oder Pflegebedarf zu führen. Etwa jede/r Zehnte kann sogar als außerordentlich „rüstig“ bezeichnet werden.

Dieses Ergebnis steht durchaus im Widerspruch zum gesellschaftlich vorherrschenden, eher defizitorientierten Altersbild, demzufolge das hohe Alter in erster Linie mit Krankheit und Pflegebedürftigkeit verbunden ist.

Funktionale Gesundheit (ÖIHS III 2019/20)

Gleichzeitig sind Hochaltrige hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes ausgesprochen heterogen, d.h. nicht alle Hochaltrigen verfügen gleichermaßen über einen hohen Grad an Gesundheit und Funktionalität.

Zwei Drittel der Studienteilnehmer/innen sind von relativ stark ausgeprägten altersassoziierten funktionalen und kognitiven Einschränkungen betroffen (Pre-Frailty und Frailty).

Diese Personen sind häufig multimorbide, d.h. sie haben mehrere chronische Krankheiten gleichzeitig, und leiden unter fortschreitenden Einschränkungen in der Mobilität, die schließlich mit Einbußen in der Selbsthilfefähigkeit mit Blick auf alltägliche Verrichtungen einhergehen. Oftmals sind die Betroffenen daher auf regelmäßige Hilfe und Unterstützung im Alltag angewiesen, bis hin zur Pflegebedürftigkeit.

Die Studienergebnisse weisen auch darauf hin, dass es besonders im Laufe des neunten Lebensjahrzehnts zu einer signifikanten Zunahme altersbedingter Funktionseinschränkungen kommt.

Gesundheitszustand nach Alter (ÖIHS III 2019/20)

Der Befund einer Zunahme gesundheitlicher und funktionaler Einschränkungen mit steigendem Alter wird durch die längsschnittliche Weiterverfolgung der Stichprobe zusätzlich bestätigt: 79% der Teilnehmer/innen sind zwischen Ersterhebung 2013 und dritter Welle 2019/20 entweder verstorben, haben gesundheitliche und funktionale Verluste erfahren oder konnten aufgrund einer beträchtlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht mehr an der Studie teilnehmen.

Wie die Ergebnisse zeigen, sind im hohen Alter jedoch auch (zumindest partielle) Verbesserungen der Funktionalität noch möglich.

Gesundheitsentwicklung 2013-2019 (ÖIHS III 2019/20)

Chronische Krankheiten

Die häufigsten chronischen Krankheiten im hohen Alter sind Bluthochdruck, verschiedene Herzerkrankungen, Harninkontinenz, Osteoporose und rheumatische Erkrankungen.

Chronische Krankheiten (ÖIHS III 2019/20)

Harninkontinenz

Besondere Aufmerksamkeit widmete die ÖIHS dem Thema Harninkontinenz. Bei der Harninkontinenz handelt es sich um ein Krankheitsbild, von dem weithin angenommen wird, dass es im hohen Alter weit verbreitet ist. Da Inkontinenz allerdings gesellschaftlich bis heute sehr stark tabuisiert ist, liegen auch wissenschaftlich bislang nur wenige empirische Daten dazu vor.

Durch die ÖIHS können diese Annahmen weitestgehend gestützt werden. Etwas weniger als ein Drittel der Studienteilnehmer/innen (29,2%) leidet an einer Harninkontinenz, wobei Frauen stärker betroffen sind als Männer. Ebenso steigt die Wahrscheinlichkeit einer Harninkontinenz mit höherem Alter. Stark ausgeprägte Formen der Harninkontinenz sind in der Regel verbunden mit beträchtlichen funktionalen Einschränkungen. Je nach Schweregrad und Häufigkeit des Harnverlustes, geht Harninkontinenz auch mit einer deutlichen Minderung des subjektiven Wohlbefindens einher.

Prävalenz der Harninkontinenz, nach Wohhnform, Alter und Geschlecht
(ÖIHS III 2019/20)

Die direkten und indirekten Folgen einer Harninkontinenz (reduzierter Bewegungsradius, reduzierte Flüssigkeitsaufnahme, Pharmakotherapie mit Nebenwirkungen, Sturz beim raschen oder nächtlichen Aufsuchen der Toilette etc.) führen verhältnismäßig rasch zu einem Anstieg der Hilfs- und Pflegebedürftigkeit, nicht selten auch zum notwendigen Umzug in institutionelle Betreuung (Pflegeheim). Gerade wenn es um Strategien zur Verringerung von Pflegebedarf und für den Verbleib in der häuslichen Umgebung geht, ist dem Thema Harninkontinenz mit möglichen präventiven und therapeutischen Maßnahmen vermehrt Aufmerksamkeit zu widmen.

Subjektive Gesundheit

Der vergleichsweise gute gesundheitliche und funktionale Zustand, in dem sich viele der befragten Hochaltrigen auch trotz ihres hohen Alters immer noch befinden, spiegelt sich insbesondere auch darin wider, dass ein großer Teil der Teilnehmer/innen den eigenen Gesundheitszustand weitestgehend positiv beurteilt.

Mehr als die Hälfte schätzt ihre Gesundheit als gut oder sogar sehr gut ein. Ein weiteres Drittel betrachtet den eigenen Gesundheitszustand immerhin noch als mittelprächtig. In etwa jede/r Achte beurteilt den Gesundheitszustand als schlecht oder sehr schlecht.

Subjektive Gesundheit (ÖIHS III 2019/20)

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