Soziale Ungleichheit
Die sozioökonomische Lage älterer Menschen hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert. Das durchschnittliche Nettojahreseinkommen von Pensionist/innen liegt in Österreich knapp unter den Nettojahreseinkommen der unselbständig Erwerbstätigen. Auch wenn die Verarmung älterer Menschen nach wie vor ein gesellschaftliches Problem darstellt, kann allgemein davon ausgegangen werden, dass Pensionist/innen heute eine vergleichsweise gut abgesicherte Bevölkerungsgruppe sind. Speziell in Bezug auf Hochaltrige ist hier jedoch zu berücksichtigen, dass einerseits ein Unterschied zwischen älteren und jüngeren Senior/innen hinsichtlich ihres Einkommens besteht, jüngere also deutlich mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung haben als ältere. Und andererseits, dass Einkommen auch innerhalb der Gruppe der Hochaltrigen selbst sehr ungleich verteilt sind. Sozioökonomische Ungleichheiten nehmen also bis ins hohe Alter tendenziell zu.
Unter den TeilnehmerInnen der ÖIHS können etwas mehr als 8% als von Altersarmut betroffen bzw. als armutsgefährdet eingestuft werden. Diese Personen haben ein Haushaltseinkommen von weniger als 1000€ im Monat zur Verfügung. Dabei zeigt sich eindeutig, dass ein ungleich höheres Armutsrisiko für Personen mit niedriger Bildung besteht. Auch Frauen sind deutlich häufiger von Altersarmut betroffen als Männer.
Altersarmut (Einkommen < 1000€/Monat) nach Bildung und Geschlecht
(ÖIHS III 2019/20)
Ein maßgeblicher und tiefgreifender Effekt sozialer Ungleichheit ist, dass diese enorme Auswirkungen auf die Gesundheit im hohen Alter hat und auf die Wahrscheinlichkeit, altersassoziierte Erkrankungen zu entwickeln („gesundheitliche Ungleichheit“). Wie die Ergebnisse der ÖIHS verdeutlichen, sind Menschen im hohen Alter umso gesünder, je höher ihre Bildung und ihr Einkommen sind. Personen mit niedriger Bildung und niedrigem Einkommen sind hingegen wesentlich häufiger und stärker von altersbedingten gesundheitlichen Beeinträchtigungen betroffen.
Gesundheitszustand nach Bildung, Teil 1 (ÖIHS III 2019/20)
Sie haben tendenziell mehr chronische Krankheiten (Multimorbidität), leiden häufiger und unter stärkeren Schmerzzuständen und sind stärker von Mobilitätseinschränkungen betroffen als sozial bessergestellte Personen. Entsprechend den größeren gesundheitlichen Einbußen im Vergleich zu Hochaltrigen mit höherem sozioökonomischem Status, schätzen Hochaltrige mit niedrigem Sozialstatus auch ihren Gesundheitszustand überwiegend schlechter ein. Hinzu kommen stärkere Beeinträchtigungen im Bereich der psychischen Gesundheit: So weisen etwa Hochaltrige mit niedrigem sozioökonomischem Status häufiger Depressionssymptome auf als sozial bessergestellte Personen.
Gesundheitszustand nach Bildung, Teil 2 (ÖIHS III 2019/20)
Besonders große Differenzen ergeben sich mit Blick auf die kognitiven Tests: Hier schneiden niedrig gebildete Personen ungleich schlechter ab als höher gebildete, was auf ein höheres Demenzrisiko für Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten schließen lässt.
Kognitiver Test nach Bildung (ÖIHS III 2019/20)
Gesundheitliche Ungleichheiten entlang des sozioökonomischen Status wirken also bis ins hohe Alter fort. Längsschnittliche Befunde deuten allerdings darauf hin, dass sich gesundheitliche Ungleichheiten im hohen Alter tendenziell abschwächen. Wenn sozial benachteiligte Menschen in guter Gesundheit ein hohes Alter erreichen, sind sie im weiteren zeitlichen Verlauf nicht signifikant häufiger von gesundheitlichen und funktionalen Verlusten betroffen wie Angehörige sozial besser gestellter Schichten. Auch haben Personen aus niedrigen Bildungsschichten im hohen Alter keine signifikant höhere Sterbewahrscheinlichkeit wie Personen mit höherer Bildung (→ siehe Mortalität). Insgesamt ist aber die Chance für sozial benachteiligte Menschen, in guter Gesundheit ein hohes Alter zu erreichen, deutlich niedriger als für sozial besser gestellte.
Wie die ÖIHS ebenfalls zeigt, besteht für Personen mit niedriger Bildung auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, bei Pflegebedürftigkeit in ein Pflegeheim zu kommen, während Personen aus höheren sozialen Schichten offenbar über mehr Handlungsspielräume hinsichtlich privater Pflegearrangements verfügen.
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